„Der demografische Wandel verändert stark unsere Familiensituation. Familien im traditionellen Sinn bestehen oftmals nicht mehr“, sagt Christina Matousek, Leiterin des Mehrgenerationenhauses (MGH) in Rosenheim. Das MGH entlastet nicht nur die Familien durch praktische Hilfen. Vielmehr steht es mit Rat und Tat zur Seite, vermittelt Patenschaften zwischen Jung und Alt und bietet vielfältige Möglichkeiten im Rahmen des bürgerschaftlichen Engagements.
Insbesondere in der Corona-Zeit wurde klar: Der Wunsch nach Unterstützung und Kontakt hat sich bei vielen Familien verstärkt. Generationenübergreifende Zusammenarbeit gewann zunehmend an Bedeutung. Hier stellen wir Ihnen zwei aktuelle Patenschafts-Projekte vor.
Leihgroßeltern mit Familienanschluss
Familienanschlussvermittlung nannte man früher das Großelternprojekt. Klaus Schindler, Abteilungsleiter Soziale Dienste im Kreisverband Rosenheim, war Gründer dieser Initiative, die aufgrund von Corona zum Erliegen kam. Matousek nahm sich dennoch dieser Nachfrage nach Patenschaften an.
Mitten in der Pandemie erreichte sie der Anruf einer Familie, die aus Nordrhein-Westfalen zugezogen war. Die Eltern wünschten sich Kontakt zu älteren Menschen, da die eigenen Omas und Opas weit weg im Heimatort lebten. Sie wollten ein Vertrauensverhältnis zu Leihgroßeltern aufbauen, inklusive Familienanschluss, versteht sich. So entstand das erste Patenschafts-Projekt. Matousek vermittelte der Familie eine Leihoma, die bereits viele Jahre Erfahrung mitbrachte. Alle Beteiligten mochten sich auf Anhieb, das Großeltern-Projekt funktioniert. „Das ist nicht die Regel“, erklärt die Leiterin, „aber wenn die Chemie stimmt, entwickeln sich oft langjährige familiäre Verbindungen.“
Die Leihoma oder der Leihopa unterstützt in Situationen, in denen auch leibliche Großeltern in der Regel ihre Hilfe anbieten. Das könnte sein: die Kinder vom Kindergarten abholen, ihnen etwas vorlesen, mit ihnen spielen, singen, basteln oder auf den Spielplatz gehen und kleine Ausflüge machen. Leihgroßeltern sind jedoch kein Ersatz für eine regelmäßige Kinderbetreuung.
Lesen und Schreiben lernen mit dem Alpha-Projekt
Eine junge Frau aus Eritrea kam vergangenes Jahr ins Mehrgenerationenhaus. Sie wollte Deutsch lernen. Waltraud Resch, die dort ehrenamtlich arbeitet, hat sich damals im Rahmen des Alpha-Projektes der jungen Frau angenommen. Einmal die Woche wird bis heute für eine Stunde Deutsch gepaukt. Sie verwendet dafür meistens Bücher aus der Grundschule. „Buchstaben überhaupt aussprechen zu können, ist für viele eine riesige Herausforderung“, berichtet Resch.
„Ich habe hier eine Mama in Deutschland gefunden“, bedankt sich die junge Eritreerin von Herzen bei Waltraud Resch. Sie kam 2015 nach Deutschland, um ihrem Freund zu folgen. Die beiden haben vor fünf Jahren nach russisch-orthodoxem Glauben geheiratet und haben eine 4-jährige Tochter. Sobald die junge Frau die B1-Deutschprüfung bestanden hat, möchte sie eine Ausbildung in der Altenpflege oder als Schneiderin beginnen. „Es gibt immer was zu tun“, bekräftigt Resch. „Derzeit bin ich 2 bis 3 Stunden in der Woche mit Schreib- und Leseunterricht zuzüglich Unterstützung bei der Post, beim Einkaufen sowie im Jobcenter und beim Kinderarzt beschäftigt.“ Hier ist eine gelungene Patenschaft entstanden, in der vor allem auch eine intensive zwischenmenschliche Beziehung aufgebaut werden konnte. „Wir profitieren alle sehr davon“, freut sich Resch.
Astrid Kornelius
Der Artikel ist in der WIR-Mitgliederzeitschrift erschienen und steht nachfolgend zum Download zur Verfügung.
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